Missbräuchlicher Alkoholkonsum und die weitreichenden Folgen
von Frauke Siems
– Bremervörde – Alkohol ist ein Nervengift, aber rechtfertigen müssen sich auf Feiern und Veranstaltungen meist die Abstinenten. Die BREMERVÖRDER ZEITUNG berichtet aktuell in einer Serie über missbräuchlichen Alkoholkonsum und die weitreichenden Folgen. In Teil 3 geht es um körperliche und psychische Auswirkungen von zu viel Alkohol.
Die Bremervörderin Sandra Fricke und die Fachstelle Sucht und Suchtprävention im Landkreis Rotenburg haben die Serie angeschoben, um auf die Risiken und Gefahren von Sucht im Allgemeinen und Alkoholmissbrauch im Speziellen aufmerksam zu machen. In Teil 1 und 2 berichteten wir über die vielfältigen gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der „Hauptdroge“ unter den Abhängigkeitserkrankungen. Heute stehen die konkreten physischen und psychischen Schädigungen, die hoher Alkoholkonsum anrichten kann, im Blickpunkt.
In ihrer Präventionsarbeit geht es Birgit Flemming und Sandra Fricke auch darum, im öffentlichen und gesellschaftlichen Umgang mit Alkohol das Problembewusstsein zu schärfen. Denn trotz seines „erheblichen Suchtpotentials“ ist Alkohol als Genussmittel in der Gesellschaft weitgehend akzeptiert, kritisiert die Deutsche Hauptstelle Sucht (DHS). „Erwerb, Besitz und Handel sind in Deutschland legal.“
Birgit Flemming leitet die Fachstelle Sucht und Suchtberatung im Landkreis Rotenburg. Sandra Fricke lebt nach einem Rückfall in der Corona-Pandemie seit knapp zwei Jahren wieder abstinent und engagiert sich ehrenamtlich in der Suchtprävention.
Missbräuchlicher Alkoholkonsum kann eine Vielzahl von Erkrankungen hervorrufen. Alkohol schädigt Leber, Bauchspeicheldrüse, Herz, Nervensystem, Magen, Darm, Stoffwechsel und Muskulatur. Laut DHS gehört Alkohol zu den „Top Ten“ aller krebserregenden Stoffe. Besonders häufig gelte dies für Krebserkrankungen in Mund, Rachen, Speiseröhre, Dickdarm und Brustdrüse. Auch Muskelzersetzungsprozesse, hormonelle Ungleichgewichte und Mangelernährung können auftreten.
Während der Schwangerschaft kann Alkohol beim ungeborenen Kind schwere körperliche und geistige Schädenbewirken. „Es gibt für Schwangere keine unbedenkliche Trinkmenge und keine Schwangerschaftsphase, in der Alkoholkonsum unschädlich wäre“, warnt die DHS. Die ausgeprägteste Form von alkoholbedingten Schädigungen im Mutterleib ist das Fetale Alkoholsyndrom (FAS). Doch dies sei nur die Spitze des Eisberges. „Manche Schäden sind bei der Geburt kaum zu erkennen und werden erst im Verlauf der Kindheit deutlich. Sie betreffen das Gehirn und äußern sich in intellektuellen und motorischen Fehlentwicklungen und Entwicklungsverzögerungen“, bestätigt auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Häufig seien derlei Defizite nicht wieder auszugleichen und könnten zu lebenslangen Beeinträchtigungen führen.
„Im Gegensatz zu anderen schweren oder chronischen Erkrankungen wie Rheuma, Diabetes, Krebs – ist das gesellschaftliche Mitgefühl bei Abhängigkeitsstörungsbildern deutlich kleiner“, verdeutlicht die Sozialpädagogin Birgit Flemming. Psychische Erkrankungen, zu denen die Suchterkrankungen lt. WHO IOC (ist das ok?) gehörten, unterlägen starken Fremd- und Selbst-Stigmatisierungsprozessen.
Zu den typischen psychischen Beeinträchtigungen durch länger währenden Alkoholmissbrauch oder bei Abhängigkeit zählen Stimmungsschwankungen, Angstzustände, Unruhe, Depressionen, manchmal sogar Suizidgefährdung. Bestehende psychische Erkrankungen werden durch regelmäßigen Alkoholkonsum verschlimmert. Schwere Schädigungen auf neuronaler Ebene können dazu führen, dass ein Alkoholkranker auf die Hilfe von Angehörigen oder Pflegepersonal angewiesen ist. Ursachen können alkoholbedingte Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen sein, aber auch massive Gedächtnisstörungen (Wernicke-Korsakow-Syndrom), Bewusstseinsstörungen und /oder Demenz.
Viele Menschen greifen zum Alkohol, weil sie einer Depression (depressiven Verstimmung/Phase oder Erschöpfung) könnte Depression bitte ersetzt werden? Denn Depression ist im Prinzip die Endstufe, der Start beginnt viel viel früher im Alltag) entfliehen möchten, verstärken aber das Problem. Sandra Fricke hat den Eindruck, dass selbst in der Therapie nicht immer erkannt wird, dass Alkohol die Symptomatik verschlimmert, sie manchmal überhaupt erst auslöst. Viele ihrer Mitpatienten in der Klinik hätten über Schlaflosigkeit (durch Unruhe und kreisende Gedanken) könnte das bitte konkret gemacht werden? Damit vielleicht Menschen den Zusammenhang zwischen sich und dem Artikel erkennen können) geklagt- „Dass Alkohol selbst das Übel ist, das den Schlaf stört, darauf wurde kaum eingegangen bzw. wollte sich kaum jemand bewusst machen.“
Und noch etwas gibt Fricke zu bedenken: „Alkohol macht alt. Fahle Gesichtshaut, Falten. Das passt wenig in die heute so gesundheitsbewusste, fitnessorientierte Zeit. Viele Suchterkranke berichten, wie gesund sie kochen und sonst leben und vergessen dabei völlig, was für ein Vitamin- und Mineralstoffkiller Alkohol tatsächlich ist.“
Fricke und Flemming wollen nicht moralisieren. Sie werben für einen bewusste(re)n Alkoholkonsum und einen achtsamen Umgang mit der individuellen Lebenssituation.